Die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Dominanz einer Gehirnhälfte (Hemisphärendominanz) und Hochbegabung gibt, wurde in der neurowissenschaftlichen Forschung intensiv untersucht. Ein zentrales Modell in diesem Zusammenhang ist das Geschwind-Behan-Galaburda-Modell, das in den 1980er Jahren entwickelt wurde. Dieses Modell postuliert, dass erhöhte Testosteronspiegel während der embryonalen Entwicklung die Reifung der linken Gehirnhälfte hemmen können, was zu einer Dominanz der rechten Hemisphäre führt. Diese atypische Hirnlateralisation wird mit Phänomenen wie Linkshändigkeit, bestimmten Immunstörungen und möglicherweise auch mit Hochbegabung in Verbindung gebracht.
Ergänzend dazu haben Studien gezeigt, dass hochbegabte Individuen tendenziell beide Gehirnhälften stärker nutzen als durchschnittlich Begabte. Beispielsweise fand eine Untersuchung von Lee et al. (2006) heraus, dass bei hochbegabten Kindern bei anspruchsvollen Aufgaben eine verstärkte bilaterale Aktivierung des präfrontalen Cortex auftritt. Diese Fähigkeit, beide Hemisphären effizient zu nutzen, könnte zur erhöhten kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen.
Zusammenfassend deuten aktuelle Forschungsergebnisse darauf hin, dass es keinen einfachen, direkten Zusammenhang zwischen der Dominanz einer spezifischen Gehirnhälfte und Hochbegabung gibt. Stattdessen scheint die Fähigkeit, beide Hemisphären flexibel und effizient zu nutzen, ein Merkmal hochbegabter Individuen zu sein. Diese bilaterale Aktivierung könnte eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung komplexer Informationen und der Erbringung herausragender Leistungen spielen.