Zwischen Anspruch und Selbstzweifel: Das innere Bild kluger Mädchen
Hochbegabung ist geschlechtsunabhängig – dennoch werden hochbegabte Mädchen seltener erkannt als Jungen. Ein Grund dafür liegt im Verhalten: Während Jungen bei Unterforderung häufiger durch Unruhe oder Störungen auffallen, zeigen Mädchen ihre Unzufriedenheit oft durch Rückzug oder psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen. Diese stillen Signale werden leicht übersehen, wodurch ihre besonderen Fähigkeiten unentdeckt bleiben.
Das Ich-Konzept: Selbstbild und Selbstwertgefühl
Das Ich-Konzept beschreibt, wie ein Mensch sich selbst wahrnimmt – seine Fähigkeiten, Eigenschaften und seinen Wert. Bei hochbegabten Mädchen ist dieses Selbstbild oft von Selbstzweifeln geprägt. Sie neigen dazu, ihre Erfolge externen Faktoren wie Glück oder Fleiß zuzuschreiben, statt ihrer eigenen Begabung. Dies kann zu einem niedrigen Selbstwertgefühl führen, das ihre persönliche und schulische Entwicklung beeinträchtigt.
Perfektionismus und soziale Anpassung
Viele hochbegabte Mädchen streben nach Perfektion und möchten den Erwartungen ihres Umfelds gerecht werden. Sie passen sich an, um nicht aufzufallen, und verstecken ihre Begabungen, um in der Gruppe akzeptiert zu werden. Dieser Anpassungsdruck kann zu inneren Konflikten und Stress führen, der sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirkt.
Die Rolle von Schule und Gesellschaft
In Schulen werden Leistungen oft durch mündliche Beteiligung bewertet, was Mädchen mit zurückhaltendem Verhalten benachteiligen kann. Zudem fehlen häufig weibliche Vorbilder in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen, was das Selbstbild hochbegabter Mädchen weiter beeinflusst. Gesellschaftliche Stereotype und Rollenerwartungen verstärken diese Problematik.
Unterstützung und Förderung
Um hochbegabte Mädchen angemessen zu unterstützen, ist es wichtig:
Vorbildfunktion: Weibliche Mentoren in verschiedenen Fachbereichen können als Inspiration dienen.
Frühzeitige Identifikation: Auf subtile Anzeichen achten und bei Verdacht auf Hochbegabung entsprechende Diagnostik veranlassen.
Stärkung des Selbstwertgefühls: Erfolge anerkennen und Mädchen ermutigen, ihre Fähigkeiten zu zeigen.
Individuelle Förderung: Angebote schaffen, die auf die Interessen und Bedürfnisse der Mädchen zugeschnitten sind.
FAQ: Hochbegabte Mädchen und ihr Selbstbild
Warum wird Hochbegabung bei Mädchen seltener erkannt?
Weil sie ihre Begabungen oft verstecken, um sich anzupassen, und weniger auffälliges Verhalten zeigen als Jungen.
Wie äußert sich ein niedriges Selbstwertgefühl bei hochbegabten Mädchen?
Durch Selbstzweifel, Zurückhaltung und das Herunterspielen eigener Leistungen.
Welche Rolle spielt die Schule bei der Entwicklung des Ich-Konzepts?
Schulen können durch Anerkennung und passende Förderangebote das Selbstbild stärken oder durch Ignorieren und unangemessene Bewertung schwächen.
Wie können Eltern und Lehrer unterstützen?
Indem sie aufmerksam sind, Erfolge feiern, individuelle Förderung bieten und als positive Vorbilder agieren.
Literatur zum Weiterlesen:
Heller, K. A. (2004). „Die Hochbegabung und ihre Bedeutung für die Entwicklung.“ In: Hochbegabung und ihre Förderung im Kindes- und Jugendalter. Beltz Verlag.
Renzulli, J. S. (2005). „The Three-Ring Conception of Giftedness: A Developmental Model for Promoting Creative Productivity.“ Social Cognitive Theory and Giftedness.
Schroeder, W. (2011). „Hochbegabung bei Mädchen: Ein unterschätztes Phänomen.“ Zeitschrift für Pädagogische Psychologie.
Zeidner, M., & Matthews, M. (2005). „The relationship between perfectionism, emotional intelligence, and subjective well-being.“ Journal of Personality and Social Psychology.
Freeman, J. (2001). „Gifted Children: Psychological and Educational Perspectives.“ Psychology Press.