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Genial und unterschätzt? Die Besonderheiten weiblicher Klugheit und weiblicher Hochbegabung

Klug, kreativ, analytisch – hochbegabte Frauen beeindrucken mit außergewöhnlichen kognitiven Fähigkeiten. Dennoch werden sie oft übersehen oder unterschätzt. Während männliche Hochbegabung in der Forschung und öffentlichen Wahrnehmung viel Beachtung findet, bleiben die Besonderheiten weiblicher Intelligenz häufig im Schatten. Doch was macht weibliche Klugheit einzigartig, und warum fällt es vielen begabten Frauen schwerer, ihre Fähigkeiten sichtbar zu machen?

Hochbegabte Frauen zeichnen sich durch eine besondere Denkweise aus, die stark vernetzt, assoziativ und ganzheitlich ist. Studien zeigen, dass weibliche Intelligenz häufig durch eine stärkere Verknüpfung beider Gehirnhälften geprägt ist. Dies ermöglicht ein breiteres Erfassen von Zusammenhängen, schnelles Wechseln zwischen analytischem und intuitivem Denken sowie eine ausgeprägte emotionale Intelligenz. Doch genau diese Merkmale können auch Herausforderungen mit sich bringen. Viele hochbegabte Frauen neigen dazu, ihre Intelligenz weniger offensiv zu präsentieren, da sie gelernt haben, sich an soziale Erwartungen anzupassen. In Bildung und Beruf setzen sie oft auf Harmonie, statt sich in den Vordergrund zu drängen, was dazu führen kann, dass ihre Begabung unterschätzt oder gar übersehen wird.

Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Hochbegabung ist bis heute stark von männlichen Maßstäben geprägt. Während hochbegabte Jungen früh durch schnelles Lernen oder mathematische Begabung auffallen, zeigt sich weibliche Hochbegabung oft subtiler – in sprachlicher Gewandtheit, hoher sozialer Kompetenz oder kreativer Problemlösung. Diese Formen der Intelligenz werden in klassischen Begabungsdiagnosen jedoch weniger beachtet. Zudem neigen Mädchen häufiger dazu, ihre intellektuellen Fähigkeiten herunterzuspielen oder zu „maskieren“, um nicht aus dem sozialen Rahmen zu fallen. Dies führt dazu, dass viele hochbegabte Frauen erst spät – oder gar nicht – als solche erkannt werden.

Ein weiteres zentrales Thema ist Perfektionismus. Hochbegabte Frauen haben oft besonders hohe Ansprüche an sich selbst. Sie hinterfragen ihre Leistungen kritischer und zweifeln stärker an ihren Fähigkeiten als ihre männlichen Kollegen. Dieses „Imposter-Syndrom“ kann dazu führen, dass sie sich in schulischen oder beruflichen Kontexten zurücknehmen, obwohl sie exzellente Ergebnisse erzielen könnten. Gleichzeitig sind sie häufig besonders reflektiert und sensitiv, was ihnen außergewöhnliche soziale und empathische Fähigkeiten verleiht, jedoch auch das Risiko birgt, sich in zwischenmenschlichen Dynamiken zu verlieren.

Auch die Identifikation mit Hochbegabung stellt für viele Frauen eine Herausforderung dar. Da das gesellschaftliche Bild des „Genies“ nach wie vor von männlichen Vorbildern geprägt ist, fällt es vielen begabten Frauen schwer, ihre eigene Intelligenz als solche zu akzeptieren. Sie neigen eher dazu, ihre Fähigkeiten als „Fleiß“ oder „Glück“ zu interpretieren, statt als Ausdruck außergewöhnlicher Begabung. Fehlt eine angemessene Förderung, kann dies dazu führen, dass hochbegabte Frauen unter ihren Möglichkeiten bleiben – sei es in der Schule, im Studium oder im Berufsleben.

Trotz dieser Herausforderungen erleben viele hochbegabte Frauen ihre Intelligenz als Bereicherung. Sie finden Erfüllung in kreativen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten, genießen intellektuelle Herausforderungen und nutzen ihre analytischen und empathischen Fähigkeiten, um innovative Lösungen zu entwickeln. Entscheidend ist, dass weibliche Hochbegabung erkannt und wertgeschätzt wird – nicht nur in klassischen IQ-Tests, sondern auch in ihrer emotionalen, sozialen und kreativen Dimension.

Die Herausforderungen, die mit (weiblicher) Hochbegabung einhergehen können, treten nicht erst ab einem IQ von über 130 auf – sie beginnen oft schon viel früher. Gleichzeitig sind viele Kluge und Hochbegabte emotional ausgeglichen, sozial versiert und führen ein erfülltes Leben. Sie empfinden Freude daran, ihr Wissen zu nutzen, knifflige Probleme zu lösen oder sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Unter den richtigen Bedingungen kann Hochbegabung eine wertvolle Quelle für Lebensglück und Zufriedenheit sein.

Weiterführende Literatur:

📖 Dreković, Alma (2023). Weiblich, hochbegabt, unterschätzt
📖 Reis, S. M. (2002). Social and Emotional Issues Faced by Gifted and Talented Girls in Elementary and Secondary School. Exceptionality, 10(2), 141-153.
📖 Silverman, L. K. (1993). Counseling the Gifted and Talented. Denver: Love Publishing.
📖 Rinn, A. N., & Bishop, J. (2015). Gifted Females‘ Imposter Phenomenon and Self-Concept: The Possible Influence of Stereotypes. Journal for the Education of the Gifted, 38(4), 329-343.